Karin Peulen — riscontro
Eröffnung: Freitag, 8. September, 18–21 Uhr, Samstag 9. & Sonntag, 10. September, 11–18 Uhr
Ausstellungsdauer: 9. September bis 2. Dezember 2023
Samstag, 2. Dezember Finissage mit Gesangsperformance von Eva Glasmacher
In ihrer Einzelausstellung Riscontro setzt sich Karin Peulen mit dem Begriff der Rückkopplung (engl. feedback, dt. Rückmeldung, it. riscontro) auseinander. Eine Rückkopplung ist ein Phänomen, das in der Physik, Musik oder auch der Psychologie bekannt ist. Dabei entstehen Signale, Frequenzen oder Situationen, die auf die Ausgangszustände zurückwirken und den Verlauf eines Vorgangs beeinflussen, oft verbunden mit einer Irritation.
Karin Peulen hat eine besondere Vorliebe für organische Strukturen in Natur und Gesellschaft sowie für Architektur. Holistisch denkend untersucht sie mit Sinn für Kuriositäten und Zufälle existenzielle Fragestellungen. Mit einem Schwerpunkt auf Farbe und Struktur arbeitet sie teils in klassischen Medien wie Zeichnung, Malerei, Fotografie, Video und Installation, doch begibt sie sich zudem auf Gratwanderungen zwischen Kunst und Gesellschaft, indem sie in deren Phänomene und Gewohnheiten interveniert.
Riscontro ist ein Ausstellungsprojekt, das sich nicht nur auf die Galerie beschränkt, sondern auf die Stadt ausweitet. Es steht im Kontext der diesjährigen Flower-Thematik der Kulturinstitutionen in der Stadt München. Teile der Ausstellung sind bislang ebenso in dem Blumengeschäft von Tamara Wohlfarth, Schellingstraße 40 zu sehen.
Opus 73, 2023
Wandarbeit: Fototapete mit Haute-Couture-Überwurf aus bedruckter Baumwolle (in Zusammenarbeit mit Sjeff Claessens)
Handgefertigte Metallaufhängung
360 x 240 cm
Karin Peulens Rauminstallation Opus 73 greift auf ein Archiv von Diapositiven eines holländischen Floristen aus dem Jahr 1973 zurück. Dieser gestaltete seinen Blumenladen wie eine Mischung aus Theater und Lichtbildershow; selbst ein Balkon-Trompe l’oeil gehörte dazu. Seine schönsten Bouquets (tatsächlich längst verkaufte und vergangene Sträuße) projizierte er zwischen das wirkliche Blumen- und Pflanzenangebot auf die Wände seines Geschäfts. So entstand quasi ein einzigartig lebendiges, holländisches Blumenstilleben der Siebziger Jahre ohne eine Ambition, ein solches zu sein.
Als die Diapositive in Karin Peulens Besitz gelangten, hatten sich Algen und Mikroorganismen über das farbige Filmmaterial ausgebreitet. Aus einem er Dias, einer Ansicht des Geschäftsinneren, etwickelte Karin einen Risografiedruck, der die traumunwirkliche Ästhetik einer nun entstandenen Fototapete bestimmt.
Mit dem holländischen Mode- und Stoffdesigner Sjef Claessen zusammen entwickelte sie aus den Dias der Blumenbouquets Überwürfe, florale Stoffdraperien mit pflanzlichen Strukturen, die als textile Skulpturen nun in den Galerieraum hinaustreten.
Ausschnitte der Fototapete befinden sich darüber hinaus wie auftauchende Bruchstücke der Erinnerung in einem realen Blumengeschäft in München. Das Geschäft von Tamara Wohlfarth in der Schellingstraße 40 ermöglicht somit eine räumliche Rückkopplungssituation und ein feedback auf die Ausstellung risocontro.
Tonika, 2023
Neon
45 x 100 x 20cm
Ed. 1/3
In der Neonarbeit Tonika befasst Karin Peulen sich mit der Imagination einer quasi Ton angebenden Lebensader und der symbiotischen Bindung zwischen Mutter und Tochter bzw Ursprung und Nachkomme. Beim Umbau ihrer Terrasse entdeckte sie, dass sich die Mutterwurzel eines exotischen und rosa blühenden, japanischen Kirschbaums verzweigt und eine äußerst kräftig Tochterwurzel ausgebildet hatte. Sie führte zu einem weiß blühenden Kirschbaum. Beider Wurzeln verliefen nach der Verzewigung in einem kräftigen Strang fort, der folglich zwei unterschiedlich blühenden Bäumen Halt und Nahrung bot. Ihr gemeinsamer Wurzelstrang bohrte sich unaufhaltsam durch Styroporplatten hindurch und verteilte sein Netzwerk über die gesamte Terrasse. Ein Fragment davon wurde zur Vorlage für die Glasform einer Lichtröhre. Sie ist nicht beschichtet wie eine gewöhnliche Neonröhre, sondern naturbelassen. Gemäß der Wolkennatur des farblosen Gases, das unter Strom bläulich schimmert entsteht eine diffuse und fragile Form von Kreislauf und Lebendigkeit.
Herrlicherweise läßt sich Tonika nicht fotografieren, denn die Kamera liest das feine weisslichblaue Licht der Neonarbeit als türkis.
Ouverture, 2023
Foto auf Hahnemühlepapier Photo Rag, Bright White, 310g
33 x 24,5 cm, Unikat
Overture ist eine Fotoarbeit, die nur als Unikat besteht. Dargestellt ist ein verwilderter botanischer Garten nach einem Sturm, der durch den Lichteinfall der Abendsonne wie eine Filmszene aus fernen Zeiten wirkt. Trotz des beinahe apokalyptischen Motivs vermittelt sich über die matte Farbigkeit des Fotoabzugs auf Fineartpapier eine rätselhafte Situation aus Wärme und Geborgenheit.
Kanon, 2023
Handsiebdruck auf bestickter Leinentischdecke
35 x 25 cm
inkl. Rahmen, Unikat
Die Technik des Siebdrucks und manuelle Interventionsmöglichkeiten in seinen Herstellungsablauf schätzt Karin Peulen ebenso wie die Fähigkeit von Farbe, Zeichnung in eine rätselhafte Vieldeutigkeit und sinnliche Erfahrung zu versetzen.
In Kanon ist der Bildträger ein floral besticktes Leinen-Tuch, über welches sich der Siebdruck legt. Diese Arbeit existiert ebenso als Siebdruck in situ, wobei die farbliche Ausführung in Absprache mit dem Käufer erfolgt. Unter dem Schaufenster von BELLEPARAIS ist sie wie ein Stencil im Stadtbild zu erleben.
Im der Jan van Eyck Werkstatt, Arbeiten der Reihe Chorus, 2023, Handsiebdruck auf Hahnemühle Fine Art Papier 300g, 140 x 100 cm, Unikate
In den Arbeiten der Reihe Chorus provoziert Karin mit dem Material ’Farbe’ ungewöhnlich großformatige Siebdrucke, deren Herstellung auch physisch an Grenzen geht. Nicht Überblendungen, sondern Spiegelungen von Architektur und Pflanzen in den Glasscheiben von Gebäuden bilden die fotografische Grundlage für diese Siebdruckarbeiten. Sie untersucht die Entstehung von Nach- und Doppelbildern. Dazu nutzt und stört sie den Siebdruck, bringt den seriellen Prozess durch ihr verfremdendes Eingreifen in eine doppelbödige Situation aus Individualität und technischer Reproduzierbarkeit. Verschiebungen, Pass-Ungenauigkeiten, vermeintliche „Fehler“ in der Farbabfolge sind erwünscht. Sie lassen den Handsiebdruck zum Unikat werden.
Eingebettet in stärker oder schwächer hervortretende architektonische Bezüge, treten Vegetationsfragmente in Chorus so in einen Zusammenklang, dass eine vertraute florale Ansicht entsteht, die allerdings real überhaupt nicht existiert und nur als Abdruck im Siebdruckverfahren gegenwärtig wird. Eindeutigkeit schwindet ebenso wie Zuordnungen zu Vorder- und Hintergrund. So wird der Kopf frei für Assoziationen und metaphorisches Denken, die ein Innehalten und Lust an der Verlangsamung des beobachtenden Lesens bewirken.
Chorus no. 10, 2023, Handsiebdruck auf Hahnemühle Fine Art Papier 300g, 140 x 100 cm, Unikat
Chorus no.3, 2023, Handsiebdruck auf Hahnemühle Fine Art Papier 300g, 140 x 100 cm, Unikat
Chorus no.2, 2023, Handsiebdruck auf Hahnemühle Fine Art Papier 300g, 140 x 100 cm, Unikat
Chorus no.5, 2023, Handsiebdruck auf Hahnemühle Fine Art Papier 300g, 140 x 100 cm, Unikat
Chorus no.8, 2023, Handsiebdruck auf Hahnemühle Fine Art Papier 300g, 140 x 100 cm, Unikat
Karin Peulen
wurde in Heerlen/ NL geboren und studierte Bildhauerei an der Academie Beeldende Kunsten, Maastricht sowie Malerei an der Universitat des Bellas Artes Barcelona bei Joan Hernández Pijuan. Ihre Auseinandersetzung mit angrenzenden Disziplinen umfasst Architektur und Stadtplanung, Botanik, Geschichte, Soziologie, Musik und Psychologie. Stets ist es eine existenzielle Auseinandersetzung um die soziale Verbindung des Menschen mit seiner eigenen und der ihn umgebenden Natur und ihrer Wahrnehmung, die sich in klassischen Galerieausstellungen, Performances, sowie Ausstellungen mit interdisziplinär offenen Institutionen niederschlägt. Sie kooperierte mit Strafanstalten, zoologischen Forschungsinstitutionen, Naturhistorischen Museen, Architektur- und sozialen Projekten. Karin Peulen engagiert sich in der künstlerischen Nachwuchsförderung. Sie entwickelt unkonventionelle, interkulturelle Programme für diverse Stiftungen und die öffentliche Hand, die auf Künstleraustausch und die Vermittlung künstlerischer Praxis ausgerichtet sind. Sie lebt und arbeitet in Maastricht, wo sie an der Kunstakademie unterrichtet. Darüber hinaus hat sie eine Gastprofessur an der Akademie in Hasselt, Belgien. www.karinpeulen.com
Impressionen und Ausstellungsansichten. – Weitere Werke unter >> artists
Installationsansicht, Chorus, 2023, Handsiebdruck auf Hahnemühle Fine Art Papier 300g, 140 x 100 cm, Unikate