›respond‹ – prozessuale Rauminstallation von Anna Greckl, Franz Stein und Katharina Stumm
Eröffnung:
Donnerstag, 8. August 2019, 19 Uhr
Ausstellungsdauer: 9. August - 28. September
FINISSAGE am Mittwoch, den 2. Oktober 2019, ab 19 Uhr
Künstlergespräch zwischen Anna Greckl und Katharina Stumm ca. 20 Uhr
Salonabend: ›receive‹ – Werke u. a. von Georg Friedrich Haas und Georges Aperghis gesungen von den Sopranistinnen Mara Maria Möritz und Lisa Orthuber
Dienstag, 13. August 2019, 21 Uhr
Salonabend: Konzert und Umtrunk zum einjährigen Bestehen von BELLEPARAIS
Klaus-Peter Werani, Viola solo, Nach Eintritt der Dunkelheit,
Samstag, 14. September 2019, Beginn nach Eintritt der Dunkelheit (unbestuhlt, Dauer ca. 30 Minuten)
Für die Ausstellung ›respond‹ bilden Anna Greckl, Franz Stein und die gerade diplomierte Akademieabsolventin Katharina Stumm – alle drei studierten bei Gregor Hildebrandt – ein temporäres Kollektiv. Sie greifen Proportionen, Maße und augenfällige Situationen in BELLEPARAIS auf, um sie als Ausgangsbasis und Inspiration für eine sich vor Ort entwickelnde Installation zu verwenden.
Die Galerie BELLEPARAIS besitzt eine Atelier- und Studioatmosphäre, in der Grenzen sowohl zwischen künstlerischen Disziplinen als auch zwischen Begriffen wie öffentlich und privat fliessend sind. In BELLEPARAIS trifft man auf Parkett, das von Geschichte gezeichnet ist, auf eine charakteristische Wand, die durch ihre Farbspuren zurück auf die Entstehung des Hauses zu Beginn des 20. Jahrhunderts weist und auf zeitlos schlichtes Mobiliar mit Vergangenheit. Die Künstler reagieren auf den Raum, reflektieren Licht- und Schattensituationen, agieren wie Chronisten des Lichtverlaufs während des Tages und Forscher während des Ausstellungszeitraums. Konzeptuell bildnerisch gesprochen geht es um künstlerische 'Spiegelung', um Reduktion (auch von Zeit), um Schnittmengen von Körper und Raum – akustisch gesprochen um Widerklang. Mit Papier, verwoben, genäht und mittels fotografischer und druckgrafischer Techniken nehmen Anna Greckl, Franz Stein und Katharina Stumm nicht nur auf Raum und Umraum, sondern auch aufeinander Bezug. Es entsteht ein gemeinsames Kunstwerk, das darauf ausgerichtet ist, sich im Verlauf der Ausstellung zu verändern, Prozesse voranzutreiben – etwa durch die Verwendung lichtsensiblen Materials wie Thermopapier gängiger Registrierkassenrollen. Darüber hinaus befasst sich die Rauminstallation mit ihrer eigenen Auflösung und Transformation in eine Unikat-Edition. Als pars pro toto und Zustandsbericht des prozesshaft-organischen Entstehens, als Existenzbeleg und possible sharing dieses ephemeren Kunstwerks lassen sich Anteile der Installation erwerben. Diese Anteile/shares werden je nach Wunsch von den Künstlern individuell auf den Käufer ausgerichtet und ausgearbeitet.
Spuren der Ausstellung ziehen sich in die nachfolgende Ausstellung weiter.
Am Dienstag, den 13.8.2019, um 21 Uhr antworten die beiden Sopranistinnen Mara Maria Möritz und Lisa Orthuber in einem Salonabend unter dem Titel ›receive‹ auf die Ausstellung ›respond‹. Sie greifen den Aspekt des Widerklangs auf und lassen an unterschiedlichen Stellen der Rauminstallation Werke von Georg Friedrich Haas und Georges Aperghis erklingen. Die individuellen Timbres der Sängerinnen – das also, was Komponisten nicht komponieren können – bilden dabei einen Differenzraum aus Stimme.
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Über das Künstlerkollektiv und die Ausstellung
Anna Greckl studiert seit 2010 an der Münchner Kunstakademie erst bei von Günter Förg, später bei Gregor Hildebrandt und seit 2018 zusätzlich Kunstpädagogik bei Matthias Wähner und Tanja Widmann. 2014 nahm sie an einer Gruppenausstellung in der Galerie Matthias Jahn teil. 2018 folgten "Wir schwimmen alle im gleichen Wasser" in der Pasinger Fabrik und zusammen mit Katharina Stumm "Two Emelies" in der Akademie der Bildenden Künste.
Franz Stein studiert seit 2016 an der Münchner Akademie bei Gregor Hildebrandt, sowie Kunstpädagogik bei Matthias Wähner und Tanja Widmann. Neben Ausstellungen im Akademierahmen waren Arbeiten von Franz Stein zuletzt im Kunstverein Aichach unter dem Titel "Das kleine Format" zu sehen.
Katharina Stumm hat 2019 ihr Diplom an der Akademie bei Gregor Hildebrand absolviert. Zuvor war sie in den Klassen von Thomas Scheibitz, Pia Fries und Melanie Gilligan. Bei einem Arbeitsaufenthalt in Tunesien befasste sie sich intensiv mit Keramik, in Kairo mit traditionellen Webtechniken. Neben Ausstellungen im Akademiebereich stellte sie seit 2016 bei Arai Associates, Tokyo, in "Wir schwimmen alle im gleichen Wasser" mit Anna Greckl in der Pasinger Fabrik und zuletzt unter dem Titel "macht was" in der Europa Galerie, Pilsen aus. In "Two Emelies" arbeiteten die beiden bereits gemeinsam an einem Projekt in der Akademie der Bildenden Künste.
Was macht ein Ausstellungsraum mit einen jungen Künstler, was bedeutet ein bestimmter Umraum für seine Biografie? Wie verhält man sich dazu, in begrenzter Zeit etwas für und in einem Raum zu erschaffen? Wie lassen sich Atmosphäre und Prozesshaftigkeit materialisieren, integrieren und ihnen zugleich eine eigene Position einschreiben?
Anna Greckl, Franz Stein und Katharina Stumm setzen sich mit charakteristischen Merkmalen von BELLEPARAIS auseinander. Als gemeinsames Experiment und als Kollektiv suchen sie Antworten auf Raumproportionen, Farb- und Lichtverläufe, auf Innen- und Aussenbereich und auf fliessend-flüchtige Zeitphänomene. Alle Künstler arbeiten für dieses Projekt mit Papier, jeder mit einer anderen Sorte.
Franz Stein setzt Plakatwandpapier für seine Collagen ein. Er reduziert und verändert den ursprünglichen Kontext und stellt – etwa durch Aufziehen auf Bildträger und Einfügen in festgelegte Maße – einen neuen her. Dabei bezieht er sich auf die Proportionen des Raums, z.B. auf Fenstermaße oder Bodenstufe. Anna Greckl stützt sich auf ihre Erfahrung mit analogen Fototechniken, verwendet beschichtete und teilentwickelte Fotopapiere für minimale Setzungen im Raum. Sie experimentiert zudem mit eisenhaltiger, lichtempfindlicher Cyanotypielösung auch auf blanker Wand. Katharina Stumm und Anna Greckl arbeiten so eng zusammen, daß ihre Arbeiten in einander greifen. Katharina Stumm nimmt die Zeit basierte Idee der chemischen Reaktion auf und übersetzt sie in ein flüchtige, dem Licht/Schattenspiel folgendes Papierkonstrukt. Sie näht, webt und schlingt fragile Schlaufen zu einem sich zurückhaltend im Raum bewegenden Objekt. Es bildet einen Gegenpol zur Wandreaktion auf die Blaudruckfarbe, denn das weiße Registrierkassenpapier vergilbt unter dem diffusen Lichteinfluss nur langsam. Im Wandbereich wird die chemische Reaktion der eisenhaltigen Blaufärbung während der Ausstellungsdauer immer wieder durch einer wasserhaltige weiße Übermalung reanimiert, bis der Prozess, der Versuch des Blaus, sich an die Oberfläche des Weiss zurückzukämpfen, erschöpft ist. So bildet die Zeit der Ausstellung eine eigene, sich lebendig manifestierende Kategorie des Kunstprojekts, das von Beginn an prozeßhaft angelegt ist. Veränderungen im Raum sind also beabsichtigt. Selbst seine Auflösung zu einem das Ganze als Einzelteile repräsentierenden Kunstwerk integriert die Ausstellung und trägt zur gesellschaftsaktuellen Idee des sharing – der Anteilhabe an einem Kunstwerk – bei.
Sammler können nicht nur die ausgestellten Fotoarbeiten und Collagen, sondern auch shares/Anteile an der Installation erwerben, die dann ausgerichtet auf die jeweilige Person zu einem Editionsunikat ausgearbeitet werden kann. Die Idee, den Betrachter als Individuum in das Ausstellungsprojekt zu integrieren, eine Person als Gegenüber zu haben, für den oder die etwas entsteht, legt Katharina Stumm bereits in ihrem Projekt der Postkartenabonnements nahe. JL